Sorgerechtsentziehung

Der Entzug der Personensorge ist die einschneidendste Maßnahme, die dem Familiengericht gegenüber den Eltern zur Verfügung steht. Sie ist Ausdruck des im Grundgesetz festgelegten Wächteramts des Staates, der verpflichtet ist, Kinder vor Gefährdungen durch entsprechende Maßnahmen zu schützen. Voraussetzungen für einen derartigen staatlichen Eingriff in das elterliche Sorgerecht sind:

  • Es muss eine Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes (oder bei Entzug der Vermögenssorge: des Kindesvermögens) vorliegen. Nach Auffassung der Rechtsprechung liegt eine solche Gefahr vor, wenn sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt oder die Schädigung bereits eingetreten ist. Eine derartige Gefährdung des Kindeswohl liegt vor bei körperlicher Misshandlung, sexuellem Missbrauch, Abhalten vom Schulbesuch, kein Zugang zur medizinischen Versorgung, unzureichende Ernährung oder Bekleidung, Alkoholismus oder Gleichgültigkeit der Eltern.
  • Die Eltern sind nicht willens oder nicht in der Lage, die Gefahr selbst abzuwenden. Auf ein Verschulden kommt es nicht mehr an.
  • Die Maßnahme muss unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stehen. Das heißt, die Maßnahme muss zum einen geeignet sein, die Gefahrenlage zu beseitigen. Sie muss außerdem erforderlich sein. Dies ist sie nur, wenn von mehreren geeigneten Maßnahmen der geringfügigste Eingriff gewählt wird. Weniger einschneidende Maßnahmen sind zum Beispiel statt des gesamten Entzugs des Personensorge nur ein teilweiser Entzug, das Ersetzen einer Erklärung oder gerichtliche Gebote sowie die Weisung, öffentliche Hilfen des Jugendamts in Anspruch zu nehmen. Die gesetzlichen Möglichkeiten der Jugendhilfe haben Vorrang. In Betracht kommen auch gerichtlich angeordnete Kontaktverbote zum Kind oder das Gebot, auf die Einhaltung der Schulpflicht zu achten. Das BGB enthält einen Katalog von Einzelmaßnahmen, die das Gericht ergreifen kann. Die Aufzählung ist aber nicht abschließend, so dass auch andere Möglichkeiten durchsetzbar sind.
  • Ferner muss die Maßnahme angemessen sein. Das ist sie nur, wenn sie mehr Schaden verhütet als anrichtet.
  • Der Entzug der gesamten Personensorge setzt außerdem voraus, dass andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder anzunehmen ist, dass sie nicht ausreichen.

Verfahren und Folgen des Personensorgerechtsentzugs

Das Familiengericht führt bei Gefährdung des Kindeswohls das Verfahren von Amts wegen durch. Seit dem Jahre 2008 gilt dabei das Vorrang- und Beschleunigungsgebot, damit dem Kind durch eine kurze Verfahrensdauer schnell geholfen werden kann. Dazu wurde gesetzlich festgeschrieben, dass der mit allen Beteiligten durchzuführende Erörterungstermin spätestens einen Monat nach Verfahrensbeginn stattfinden muss und dass bei diesem Termin auch das Jugendamt angehört wird. Danach entscheidet das Gericht durch Beschluss. Wird in dem Beschluss die Personensorge nur einem Elternteil entzogen, waren aber vorher beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt, hat der andere Elternteil nunmehr die Alleinsorge für das Kind. Wird die Personensorge einem allein sorgeberechtigten Elternteil entzogen, muss das Gericht prüfen, ob sie gegebenenfalls dem anderen Elterteil übertragen werden kann. Das ist möglich, wenn es nicht dem Kindeswohl widerspricht.

Gibt es keinen anderen sorgeberechtigten Elternteil, muss dem Kind bei Entzug des gesamten Sorgerechts ein Vormund -, bei Entzug einzelner Teile der Personensorge ein Pfleger bestellt werden.