Konflikte gehören zur Normalität jeder Familie. Sobald die Konflikte aber eskalieren, drohen Eltern den erwachsenen Kindern oftmals mit einer Enterbung. Ob dies überhaupt möglich ist und welche genauen Konsequenzen eine Enterbung mit sich bringt, ist vielen dabei unklar. Ein Erblasser ist aber grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, wen er als Erben einsetzen möchte und wen nicht.
Für eine direkte Enterbung reicht es bereits aus, wenn in einem Testament oder Erbvertrag anordnet wird, dass eine bestimmte Person als Erbe ausgeschlossen werden soll. Ein Erblasser kann aber auch indirekt enterben, indem er beispielsweise im Testament oder Erbvertrag Dritte als Erben einsetzt oder Vermächtnisse schafft. Eine Begründung muss nicht erfolgen. Im Zweifel erstreckt sich die Enterbung auch auf die Abkömmlinge der enterbten Person.
Eine Enterbung bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass man gar nichts erhält. So kann dem Enterbten noch ein Pflichtteilsanpruch zustehen. Diese Mindestbeteiligung am Nachlass räumt das Gesetz bestimmten Angehörigen ein. Dies sind:
• Kinder (und deren Abkömmlingen wie Enkel und Urenkel), nichteheliche Kinder, adoptierte Kinder,
• Ehegatten, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls noch wirksam bestand,
• Eltern, wenn keine Kinder vorhanden sind,
• Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft
Geschwistern und Großeltern steht wiederum kein Pflichtteil des Erbes zu.
Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Somit ist zunächst der gesetzliche Erbteil zu ermitteln. Bei Ehegatten hängt der Pflichtteil vom Güterstand ab, in dem die Eheleute gelebt haben.
Pflichtteilsentzug: hohe Anforderungen
Viele Erblasser empfinden den Pflichtteilsanspruch als Beschränkung ihrer Testierfreiheit und versuchen, dem Berechtigen auch den Pflichtteil zu entziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch nach einigen Klagen bestätigt, dass ein Entzug des Pflichtteils nur in den gesetzlich bestimmten Fällen rechtmäßig ist. Diese Fälle liegen vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte:
• dem Erblasser, dem Ehegatten oder einem anderen Abkömmling den Tod wünscht,
• sich eines Verbrechens oder eines schweren Vergehens gegen den Erblasser, dem Ehegatten oder einem anderen Abkömmling schuldig gemacht hat oder
• die Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt hat.
Seit 2010 berechtigt auch eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zum Pflichtteilsentzug. Zusätzlich muss es dem Erblasser unzumutbar sein, den Pflichtteil zu belassen. Aufgrund dieser engen Voraussetzungen ist es ratsam, wenn der Erblasser in seinem Testament die Enterbung ausdrücklich anordnet und begründet. Die konkrete Nennung eines der oben genannten Entziehungsgründe ist dabei die sicherste Möglichkeit. Sobald der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten sein Verhalten verzeiht, darf er den Pflichtteil nicht mehr entziehen. Ein bereits angeordneter Pflichtteilsentzug wird – auch wenn er gerechtfertigt ist – dadurch unwirksam.
Nach dem Willen des Gesetzgebers steht einem Enterbten damit doch fast immer ein Pflichtteil zu. Wer als späterer Erblasser ganz sicher gehen möchte, sollte einen auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt um Rat fragen. Das gleiche gilt natürlich, wenn einem der Pfllichtteil zu Unrecht entzogen wurde.