Insolvenz und Kündigung

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in der aktuellen Corona-Krise läuft zum 31.01.2021 ab. Viele Betriebe werden es trotz umfangreicher staatlicher Corona-Hilfe und Arbeitsmarktinstrumenten, wie dem Kurzarbeitergeld, nicht schaffen der Insolvenz zu entgehen.

Für betroffene Arbeitnehmer beginnt bereits mit der drohenden Insolvenz eine Phase der Ratlosigkeit und der mangelnden Information. Zudem ist die Rechtsmaterie zu kompliziert, die Fachbegriffe zu zahlreich, um sich ohne anwaltlichen Rat ein umfassendes Bild von seinen Rechten machen zu können.

Daher haben wir ein FAQ zum Thema „Insolvenz und Kündigung“ erstellt, in der Hoffnung eine erste Einschätzung zu ermöglichen. Für ein weiteres Vorgehen stehen wir Ihnen gerne persönlich zur Verfügung.      

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1. Wie erfahre ich von der Insolvenz meines Arbeitgebers?

Bereits lange vor einem Insolvenzantrag kursieren Gerüchte zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und ähnlichem. Die Auslastung und Schichtplanung im Betreib liefern ebenfalls Indizien. Auch werden häufig Betriebsversammlungen abgehalten, bei denen sich Arbeitgeber, oder ein Betriebsrat zur Sachlage einlässt. Häufig erfahren die Arbeitnehmer*innen von der Insolvenz jedoch erst aus Presseberichten, oder wenn Sie Post vom Insolvenzverwalter bekommen.

2. Spielt das Stadium der Insolvenz eine Rolle?

Zu unterscheiden sind grundsätzlich das vorläufige Insolvenzverfahren, das mit dem Insolvenzantrag beginnt, und dem Verfahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist meistens (noch) nicht zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt. Ist das Insolvenzfahren eröffnet worden und wurde der Insolvenzverwalter bestellt, darf nur dieser die Kündigung aussprechen. Vor der Insolvenzeröffnung darf der Arbeitgeber noch selbst kündigen. Allerdings gelten dann weiterhin die gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfristen. Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung behält der Arbeitgeber die Befugnisse und bekommt vom Insolvenzgericht lediglich einen Sachwalter beigeordnet, vgl. § 277 InsO. Es gilt aber bezüglich der Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Insolvenzschuldners dennoch das Insolvenzrecht.

3. Wer ist während der Insolvenz mein Arbeitgeber?

Ab Eröffnung der Insolvenzverfahrens und der gleichzeitigen Bestellung des Insolvenzverwalters erhält dieser die vollständige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners. Er wird dadurch auch kraft Gesetzes zum Arbeitgeber, vgl. § 80 Abs. InsO

4. Ist die Insolvenz automatisch ein Kündigungsgrund?

Die Insolvenz ist kein automatischer Kündigungsgrund, vgl. § 108 InsO, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Insolvenzschuldner sich erfolgreich sanieren kann, oder der Betrieb veräußert wird.  Der Bestand des Arbeitsverhältnisses bleibt daher zunächst grundsätzlich unberührt, und es besteht gilt auch kein besonderes Arbeitsrecht. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten bleiben vertragsgemäß bestehen. Das heisst, dass die Arbeitnehmer*innen grundsätzlich zur Arbeitsleistung, und der Arbeitgeber zur Zahlung des Arbeitslohn verpflichtet bleibt. Der Insolvenzverwalter ist auch nicht berechtigt einseitig Änderungen am Arbeitsvertrag vorzunehmen, z.B. um Jahressonderzahlungen zu verhindern.

5. Insolvenz als betriebsbedingter Kündigungsgrund?

Eine vollständige Liquidation und Betriebsschließungen können eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss dabei die strengen Kündigungsschutzvorschriften einhalten. Er muss daher den betriebsbedingten Kündigungsgrund beweisen, eine Sozialauswahl unter der Arbeitnehmer*innen vornehmen und Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausschließen können. Bei Menschen mit besonderem Kündigungsschutz wie Schwerbehinderten, den Schwerbehinderten gleichgestellten, Schwangeren und besonderen Betriebsbeauftragten müssen weiterhin die erforderlichen amtlichen Genehmigungen eingeholt werden. Findet eine Massenentlassung statt, müssen besondere Mitteilungspflichten erfüllt sein. Fehler bei der Kündigung führen meistens zur Unwirksamkeit derselben. Wenn Sie das Gefühl haben, bei der Sozialauswahl nach Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und dem Vorliegen einer Behinderung falsch bewertet worden zu sein, sollten Sie sich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden.

6. Insolvenz als außerordentlicher Kündigungsgrund für Arbeitnehmer*innen?

Nur die Arbeitnehmer*innen erhalten ein Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund, nämlich der Insolvenz des Arbeitgebers mit Zahlungsverzug. Dieses sollte man dann wahrnehmen, wenn dadurch der Insolvenzgeldanspruch gesichert werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn zu befürchten ist, dass zwischen der letzten Lohnzahlung und dem Eröffnungsbeschluss mehr als 3 Monate liegen. Die letzten drei Gehälter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind durch das Insolvenzgeld gesichert. Weitere ausstehende Gehälter werden jedoch durch die Insolvenzeröffnung zu bloßen Insolvenzforderungen und gehen meist verloren. Zuvor sollte der Arbeitgeber aber unter Fristsetzung zur Zahlung der ausstehenden Gehälter aufgefordert werden.

Warnung: Da eine Eigenkündigung die Sperre des Arbeitslosengeldbezugs nach sich ziehen kann, sollte nicht ohne vorherige Rücksprache mit der Arbeitsagentur gekündigt werden.

7. Was ist mit meinen nicht gezahlten Gehältern, Urlaub und Überstunden?

Auch hier muss man unterscheiden zwischen der Zeit vor und nach der Insolvenzeröffnung. Häufig ist der Arbeitgeber schon vor dem Insolvenzantrag mit der Zahlung von Gehältern in Verzug. Für die letzten drei Gehälter vor der Insolvenzeröffnung zahlt die Arbeitsagentur das sog. Insolvenzgeld. Sie sollten sich daher rechtzeitig den Insolvenzgeldantrag stellen. Nach der Insolvenzeröffnung können ausstehende Gehälter und Zahlungsansprüche nur noch zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Das bedeutet, dass Sie wie jeder andere Gläubiger nur einen Anspruch auf quotale Befriedigung nach der Liquidation haben. Die Auszahlungsquoten sind jedoch sehr gering.

Arbeiten Sie nach der Insolvenzeröffnung weiter und erlangen Sie neue Gehaltsansprüche, sind diese als sog. Masseverbindlichkeiten vorrangig aus der Insolvenzmasse zu bedienen. Gerade dann, wenn Sie das Gefühl haben, dass der Arbeitgeber in Schwierigkeiten gerät, sollten Sie Ihren Urlaub nehmen bevor diese zur bloßen Insolvenzforderung werden. Sie sollten sich nach Möglichkeit schon ein Zwischenzeugnis ausstellen lassen, da die Insolvenzverwalter erfahrungsgemäß lange für die Zeugniserteilung benötigen, was Nachteile bei der Jobsuche nach sich ziehen kann.

8. Wer darf die „Insolvenzkündigung“ aussprechen?

Grundsätzlich gilt, vor der Insolvenzeröffnung und bei Selbstverwaltung der Arbeitgeber/ Insolvenzschuldner. Nach der Bestellung eines Insolvenzverwalters nur dieser. Formfehler an dieser Stelle führen zur Unwirksamkeit der Kündigung.

9. Welche Kündigungsfristen sind einzuhalten?

Vor der Insolvenzeröffnung gelten die gesetzlichen- bzw. tariflichen Kündigungsfristen. Nach der Insolvenzeröffnung beträgt die maximale Kündigungsfrist drei Monate, unabhängig vom (ordentlichen) Kündigungsgrund, vgl. § 113 InsO. Sind die gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfristen kürzer, gelten diese. Für die Arbeitnehmer*innen gilt grundsätzlich die gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder Ende eines Kalendermonats weiter. Wollen Arbeitnehmer*innen mit längerer Frist kündigen, gilt aber hierfür die maximale Kündigungsfrist von drei Monaten.

10. Macht eine Kündigungsschutzklage überhaupt Sinn?


Zunächst ist festzuhalten, dass man sich gegen eine Kündigung nur im Rahmen einer Kündigungsschutzklage wehren kann. Die Frist zur Klageeinreichung beträgt drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Das Kündigungsschutzverfahren verschafft eine endgültige Klarheit über das Schicksal des Arbeitsverhältnisses und Ihrer Ansprüche.

Erfahrungsgemäß wird eine Kündigung in der Insolvenz mit dem Insolvenzantrag begründet. Die Insolvenz ist jedoch kein Kündigungsgrund an sich, da nicht absehbar ist, ob der Insolvenzschuldner sich sanieren kann, oder ein Betriebsübergang stattfinden wird. Gerade im Fall einer Insolvenz in Eigenverwaltung stehen die Chancen für eine Sanierung gut, da dieses Verfahren nur zugelassen wird, wenn ein tragfähiges Sanierungskonzept besteht, was vom Insolvenzgericht überprüft wird. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage kann ein Titel über die geschuldeten Gehälter, die Urlaubs- und Überstundenabgeltungsansprüche und eine Abfindung erlangt werden, was Ihnen bei der Durchsetzung dieser Ansprüche behilflich sein wird.

11. Ist eine Abfindung nach einer Insolvenzkündigung noch möglich?


Ein Abfindungsanspruch kann sich aus einem Sozialplan, einem Aufhebungsvertrag oder aufgrund eines Prozessvergleichs im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens ergeben. Grundsätzlich ist vom Abschluss eines Aufhebungsvertrages wegen des Sperrzeit-Risikos beim Bezug von Arbeitslosengeld abzuraten. Versierte Arbeitsrechtler werden Sie bei der Verhandlung und Abwicklung von Abfindungsforderungen gerne begleiten.

12. Wer zahlt die Kosten des Kündigungsschutzverfahrens?

Gerade dann, wenn Sie eine Rechtschutzversicherung haben, lohnt sich die Kündigungsschutzklage, da Sie in der Regel kein persönliches finanzielles Risiko tragen. Die Prozesskostenhilfe springt ein, wenn die Anspruchsteller*innen bedürftig in Sinne des Gesetzes sind, d.h. Einnahmen und Ausgaben sich weitgehend decken. In allen Fällen wird Sie der Rechtsanwalt über Kosten, Chancen und Risiken aufklären. Nutzen Sie unsere kostenlose telefonische Erstberatung um eine erste Einschätzung zu erhalten.

13. Was gilt für angestellte Geschäftsführer und leitenden Angestellte?

Die Insolvenz beendet das Dienstverhältnis von Geschäftsführer*innen oder leitenden Angestellten nicht automatisch. Dies gilt auch für die Abberufung des Geschäftsführers, dessen Dienstvertrag zunächst weiterläuft. Ein wichtiger Effekt des Insolvenzverfahrens ist, dass diese Betriebsorgane in ihren Befugnissen auf insolvenzfreie Bereiche beschränkt werden, da der Insolvenzverwalter die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zugewiesen erhält. Die Anstellung des Geschäftsführers kann also nur durch eine Kündigung beendet werden, wobei auch hier gilt, dass eine Insolvenz kein alleiniger Grund für eine Kündigung ist. Daher übersteht das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers und eines leitenden Angestellten in der Regel die Insolvenzeröffnung. Das ist für die Gläubiger ungünstig, da das hohe Gehalt eines Geschäftsführers, dass ab Insolvenzeröffnung entsteht, als Masseverbindlichkeit gilt und vorrangig aus der Insolvenzmasse bezahlt werden muss.

Nach Insolvenzeröffnung kann der dann zuständige Insolvenzverwalter oder Arbeitgeber in Eigenverwaltung den Geschäftsführer kündigen. Er muss dabei ebenfalls, wie bei sonstigen Mitarbeitern, die Kündigungsfrist von drei Monaten aus § 113 Abs. 1 InsO einhalten. Die in der Regel sehr klangen Kündigungsfristen im Geschäftsführeranstellungsvertrag werden folglich ausgehebelt. Zu erwähnen ist noch die Möglichkeit zur fristlosen Kündigung eines Geschäftsführers, der die Insolvenz verschleppt hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s. BGH II ZR 18/03)  ist auch deshalb so praxisrelevant, weil die Mehrheit der Unternehmensinsolvenzen verschleppt werden. Betroffene Geschäftsführer*innen sind daher gut beraten, auch die persönlichen arbeitsrechtlichen Nachteile einer Insolvenzverschleppung im Blick zu behalten.

14. Was gilt für Insolvenzkündigungen von Schwangeren?

Das absolute Kündigungsverbot während der Mutterschutzzeiten und einer anschließenden Elternzeit, gelten auch während der Insolvenz fort. Auch während der Insolvenz benötigt der Insolvenzverwalter oder der Arbeitgeber die behördliche Zustimmung, wenn er einer Schwangeren kündigen will. Ohne behördliche Zustimmung erfolgte Kündigungen sind unwirksam und sollten unverzüglich mit anwaltlicher Hilfe zurückgewiesen werden. Das Recht zu außerordentlichen Kündigung bleibt aber unberührt.

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