Bedarf und Bedürftigkeit

Relevant für die Höhe der Unterhaltszahlungen sind der Bedarf und die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten. Im ersten Schritt wird zunächst der Bedarf ermittelt – also die Frage geklärt, was die unterhaltsberechtigte Person zum Leben benötigt. In einem zweiten Schritt wird dann geschaut, inwieweit der Bedarf schon mit eigenen Mitteln gedeckt werden kann – also die Frage der Bedürftigkeit beantwortet.

Bei Kindern ergibt sich der Bedarf üblicherweise aus der sogenannten Düsseldorfer Tabelle, die von nahezu allen Gerichten zur Unterhaltsermittlung herangezogen wird. Diese Tabelle unterscheidet dabei nach dem Alter des Kindes und gewährt Kindern mit steigendem Alter auch einen höheren Bedarf. Gleichzeitig steigt der Bedarf des Kindes auch mit dem Einkommen der Eltern. So wird der konkrete Lebensstandard beachtet und aufrechterhalten.

Grundlage für den Bedarf des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sind die ehelichen Lebensverhältnisse bis zur Scheidung. Die Rechtsprechung arbeitet bei der Ermittlung des Bedarf mit bestimmten Formeln und geht dabei von der Überlegung aus, dass Ehegatten während des Trennungsjahres noch zu gleichen Teilen Anspruch auf das eheliche Einkommen haben. Damit unterscheidet sich der Bedarf der Eheleute im Trennungsjahr zunächst nicht von den Lebensverhältnissen während der Ehe. Kurz gesagt wird also „Hälfte / Hälfte“ gemacht und das vorhandene Einkommen aufgeteilt. Zuvor wird allerdings noch der Kindesunterhalt abgezogen. Ist nur ein Ehepartner erwerbstätig, erhält dieser einen gewissen Bonus. Dem nicht-arbeitenden Ehepartner steht dann ein Bedarf von 3/7 des Einkommens zu, also etwas weniger als die Hälfte. Arbeiten beide Ehepartner, erhält der schlechter verdienende Ehepartner zusätzlich zu seinem eigenen Einkommen 3/7 der Differenz zwischen beiden Einkommen.

Nach der Scheidung wird Unterhalt nur noch in bestimmten Lebenssituationen, z.B. wegen der Betreuung eines Kleinkindes, gewährt. Der Bedarf wird in diesen Fällen unter Umständen mit Hilfe einer komplizierten Abwägung festgelegt. Als Faustformel werden häufig aber auch 3/7 des bereinigten Einkommens, welches während der Ehe vorhanden war, als Bedarf anerkannt.

Wurde der Bedarf ermittelt, wird geschaut, wie die momentane finanzielle Situation des Unterhaltsberechtigten aussieht. Bedürftig ist dann derjenige, der nicht in der Lage ist, seinen Bedarf aus eigenen Mitteln zu decken. Wenn also nicht genügend Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, ist man bedürftig und erhält den Unterhalt.

Wenn das eigene Einkommen nicht ausreicht, besteht die Bedürftigkeit in Höhe der Deckungslücke. Dabei herrscht der Grundsatz, dass der Bedarf zunächst mit eigenen Mitteln gedeckt werden soll. Jeder ist zunächst dazu verpflichtet, alles Zumutbare zu tun, um für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Alleine die Tatsache, dass Bedürftigkeit besteht, führt also nicht automatisch zur Unterhaltszahlung.

Befinden sich die getrennten Eheleute noch im Trennungsjahr, besteht allerdings noch keine Verpflichtung, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Wenn die Scheidung aber rechtskräftig ist, wird von den Eheleute verlangt, selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Machen sie das nicht, obwohl es ihnen zugemutet werden kann, wird das mögliche fiktive Einkommen im Rahmen der Bedürftigkeit beachtet. Nur wenn eine Erwerbstätigkeit beispielsweise aufgrund der Kinderbetreuung oder einer Krankheit nicht möglich ist, wird eine vollständige Bedürftigkeit anerkannt.

Außerdem wird auch vorhandenes Vermögen zur Bedarfsdeckung angerechnet. So muss zunächst vorhandenes Vermögen bis zu einer bestimmten Grenze verbraucht werden, bis man Unterhalt erhält. Einzig minderjährige Kinder müssen ihr Vermögen nicht zur Bedarfsdeckung verwenden.

Beim Kindesunterhalt wird hauptsächlich das Kindergeld im Rahmen der Bedürftigkeit berücksichtigt, da meist kein weiteres Einkommen erzielt wird. Bei volljährigen Kindern wird das komplette Kindergeld vom Bedarf abgezogen – also komplett als Einkommen berücksichtigt. Bei minderjährigen Kindern wird die Hälfte des Kindergeldes berücksichtigt.