Augenblicksversagen

augenblicksversagen

Im Bereich des Straßenverkehrsrechts spricht man von Augenblicksversagen, wenn ein an sich mit der nötigen Konzentration agierender Verkehrsteilnehmer für nur kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unbewusst außer Acht lässt. Wenn ein solches Augenblicksversagen festgestellt werden kann, kommt nach der Rechtsprechung der Obergerichte eine Verfolgung des Betroffenen wegen grob pflichtwidrigem Verhalten nicht in Betracht. Der Bundesgerichtshof hat dies bereits im Jahre 1997 grundsätzlich entschieden. Der klassische Fall des Augenblicksversagens betrifft Geschwindigkeitsüberschreitungen, in Betracht kommen können aber zum Beispiel auch Rotlichtverstöße.

Augenblicksversagen kann Fahrverbot ausschließen

Gerade wenn ein Fahrverbot gegen den Betroffenen zu verhängen wäre, kann das Augenblicksversagen eine geeignete Verteidigungsstrategie sein. Wenn dem Betroffenen nämlich kein grob pflichtwidriges Verhalten zu Last gelegt werden kann, dann kommt auch die Verhängung des Fahrverbotes nicht in Betracht. Allerdings reicht es natürlich nicht, dass sich der Betroffene einfach auf ein Augenblicksversagen beruft, er muss vielmehr Tatsachen vortragen, die das Vorliegen eines Augenblicksversagens zumindest wahrscheinlich machen. Gelingt dies nicht, werden die Angaben des Betroffenen häufig als Schutzbehauptung zurückgewiesen. Bei Geschwindigkeitsverstößen kommt ein Augenblicksversagen in der Regel nicht in Betracht, wenn der Betroffene nachweislich mehrere Tempobegrenzungsschilder passiert hat. Es mag plausibel sein, dass man eine Beschilderung übersieht, sicherlich aber nicht mehrere.

Wann ist ein Augenblicksversagen ausgeschlossen?

Es gibt bestimmte Fallkonstellationen, in denen sich der Betroffene praktisch nicht auf ein Augenblicksversagen berufen kann. Dies gilt natürlich in erster Linie für vorsätzliche Verkehrsordnungswidrigkeiten. Die Rechtsprechung geht bei Tempoverstößen davon aus, dass ab einer Geschwindigkeit von 100 km/h außerorts (nicht auf Autobahnen) von einer vorsätzlichen Begehung ausgegangen werden muss. Problematisch sind zudem Abstandsverstöße, da diese in aller Regel voraussetzen, dass der Betroffene die Unterschreitung über eine längere Wegstrecke und somit auch über einen längeren Zeitraum begeht. Auch das Wenden oder Rückwärtsfahren auf Autobahnen wird kaum leicht fahrlässig zu begehen sein.

Welche Umstände sprechen gegen ein Augenblicksversagen?

Gegen das Vorliegen eines Augenblicksversagens können viele Einzelumstände sprechen. Entscheidend ist hier vor allem, ob der Betroffene die gefahrene Strecke und die dortige Beschilderung kennt. Problematisch ist wie oben bereits ausgeführt auch, wenn eine Mehrfachbeschilderung übersehen worden sein soll. Aber auch die baulichen oder örtlichen Gegebenheiten können gegen ein Augenblicksversagen sprechen, etwa dann, wenn sich die Messstelle in einem Baustellenbereich befunden hat.

Muss das Gericht ein Augenblicksversagen von Amts wegen prüfen?

Grundsätzlich ist das Gericht nicht verpflichtet, immer von Amts wegen zu ermitteln, ob bei dem Betroffenen möglicherweise ein Augenblicksversagen vorgelegen haben könnte. Nach der Rechtsprechung des BGH dürfen die Amtsgericht nämlich im Grundsatz davon ausgehen, dass die Verkehrsteilnehmer die Verkehrsschilder wahrnehmen und beachten. Es ist insoweit Sache des Betroffenen und seines Verteidigers, die Umstände zu einem möglichen Augenblicksversagen vorzutragen. Erst dann muss sich das Gericht mit diesem Vortrag auseinandersetzen und die Darstellung des Betroffenen auf ihre Schlüssigkeit und Glaubhaftigkeit prüfen.