Der Abwicklungsvertrag wird zum neuen Trend in Kündigungssachen. Was steckt hinter dieser Vorgehensweise und ist das für den betroffenen Arbeitnehmer vorteilhaft, oder mit einem hohen Risiko verbunden?
Zusammenfassend kann gesagt werden:
- Klageverzicht ist hoch gefährlich
- Meist kein besseres Angebot, als durch Vergleich erzielt werden kann
- Laie (Arbeitnehmer) gegen Profi (Arbeitgeber) = ungleiche Verhandlungspartner
- Sperre des ALG I nur schwer umgehbar
- Abwicklungsvertrag ist kein vollstreckbarer Titel
Was ist ein Abwicklungsvertrag?
Der Abwicklungsvertrag regelt die Modalitäten der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Es ist ein gegenseitiger Vertrag. Daher darf man sich von der zur weichen Bezeichnung als „Abwicklungsvereinbarung“ nicht täuschen lassen. Er muss wie eine Kündigung schriftlich abgefasst sein, und muss nach aktueller Rechtsprechung von beiden Parteien unterschrieben sein. Nach der Unterschrift kann sich der Betroffene nicht mehr ohne Weiteres von seiner Erklärung lösen. Die Beendigung selber wird mit einer Kündigung herbeigeführt. Das ist auch der Unterschied zu einem Aufhebungsvertrag, bei dem die Beendigung durch den Vertrag selber, ohne weitere Kündigung, erfolgt.
Der richtige Weg wäre also, zuerst die Kündigung auszusprechen und dann einen Abwicklungsvertrag über die Bedingungen der Beendigung abzuschließen.
Die traurige Praxis
In der Regel läuft es aber so, dass dem Arbeitnehmer eine nicht unterschriebene Kündigung und ein Abwicklungsvertrag vorgelegt werden. Er soll dann binnen kürzester Frist entscheiden, ob er die vorgegebenen Bedingungen des Abwicklungsvertrages so akzeptiert und soll dann auch schnell unterschreiben. Am besten noch am Arbeitsplatz. Dann erst würde die Kündigung erteilt werden.
Der Knackpunkt
Dieser Abwicklungsvertrag enthält regelmäßig eine Klageverzicht-Klausel, mit dem der Arbeitnehmer auf die gerichtliche Überprüfung seiner Kündigung rechtsverbindlich verzichtet. Und das ist gerade der Knackpunkt. Die Rechtmäßigkeit der Kündigung ist vom Arbeitgeber zu beweisen, was ihm in vielen Fällen nicht gelingt. Gerade in Fällen der betriebsbedingten Kündigung muss er in einem öffentlichen Gerichtsverfahren umfangreich zur Situation seines Unternehmens Stellung nehmen. Verständlich, dass ihm das nicht so gut gefällt, vor allem, wenn Konkurrenten hinten sitzen und alles mithören könnten. Da bietet der Abwicklungsvertrag eine willkommene Möglichkeit dieser Prüfung zu entgehen. Dies versucht der Arbeitgeber oft mit augenscheinlich guten Konditionen im Abwicklungsvertrag zu erkaufen.
Unterzeichnet der Arbeitnehmer, nachdem er eine Kündigung erhalten hat, lediglich einen Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage, dann ist diese Erklärung für den Arbeitnehmer nicht bindend, wenn er nicht im Gegenzug andere Vorteile erhält.
Die Drohkulisse
In der Praxis erleben wir es oft, dass enormer Druck auf die Betroffenen ausgeübt wird. Es wird zu verstehen gegeben, dass eine Kündigung erfolgen werde und der Betroffene dann die jetzt angebotenen Konditionen nicht mehr erhalten werde. Gerade im Hinblick auf eine betriebsbedingte Kündigung, bei der das Gesetz eine sog. Regelabfindung in Höhe von einem halben Bruttogehalt pro Beschäftigungsjahr vorsieht gibt es kaum Nachteile zu befürchten. Wir haben häufig Fälle vorgelegt bekommen, in denen die im Abwicklungsvertrag angebotene Abfindung geringer war, als das, was schon gesetzlich vorgeschrieben wurde. Dies erhärtet den Verdacht, dass der Abwicklungsvertrag für viele Arbeitgeber eine günstige Möglichkeit bietet, altgediente und teure Mitarbeiter günstig zu verabschieden.
Konditionen im Abwicklungsvertrag besser als sonst?
Beim genaueren hinschauen entdeckt man aber schnell, dass diese Konditionen auch in Falle eines Gerichtsprozesses erzielt werden können. In vielen Fällen, wo die Kündigung evident unrechtmäßig ist, lassen sich höhere Abfindungen und bessere Bedingungen erzielen. Der Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage ist eine enorme Einschränkung der Rechte des Arbeitnehmers. Deshalb fordert die Rechtsprechung ohnehin, dass der Arbeitnehmer im Gegenzug andere Vorteile erhält, so zum Beispiel ein (gutes) Zeugnis, eine Freistellung, eine Abfindung, die weitere Nutzung eines Kfz, Ratenzahlung für die Rückführung eines Arbeitgeberdarlehens oder Ähnliches.
Sperre des ALG I durch Abwicklungsvertrag
Für den Arbeitnehmer gibt es aber auch noch andere Gefahren, die der Arbeitgeber nicht ohne weiteres verhindern kann. Den Betroffenen droht eine dreimonatige Sperre des Arbeitslosengeldes I, weil sie durch den Abwicklungsvertrag der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses freiwillig zugestimmt haben. Die Sperre bedeutet, dass ALG I für 3 Monate ersatzlos gestrichen wird.
Eine Sperre für 12 Wochen sieht das Gesetz für denjenigen vor, der er für diese Arbeitsaufgabe keinen wichtigen Grund hatte (§ 159 Abs.1 Satz 1 SGB III). Die Fälle in denen ein „wichtiger Grund“ vorliegt, und die Vorgaben zur Gestaltung der Vereinbarung, die eine Sperre ausschließt, sind sehr eng begrenzt. Einen weiterführenden Bericht über die ähnliche Konstellation bei Aufhebungsverträgen finden Sie, wenn die dem obigen Link folgen.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 18.12.2003 (B 11 AL 35/03 R) entschieden, dass man als Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis auch dann durch aktives Zutun beendet, wenn im Zusammenhang mit einer Kündigung durch den Arbeitgeber mit diesem einen Abwicklungsvertrag abschließt und die Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung hinnimmt.
Das Arbeitsamt fragt sicher danach, warum man die Beendigung freiwillig hingenommen hat. Durch eine Sperre verliert man also bares Geld. Zum anderen ist eine Sache eine Abfindung versprochen zu bekommen und eine andere diese auch tatsächlich ausgezahlt zu bekommen. Sollte der Arbeitgeber nicht zahlen können oder wollen, müsste der Betroffene mit dem Abwicklungsvertrag zum Arbeitsgericht und auf Zahlung klagen.
Unsere Vorgehensweise
Um die Sperre vermeiden, in kürzester Zeit einen vollstreckbaren Titel in der Hand zu haben und womöglich eine bessere Abfindung zu erzielen, empfehlen wir, mit dem Arbeitgeber einvernehmlich einen gerichtlichen Vergleich zu erwirken. Auf diesem Weg kann in kürzester Zeit (i.d.R. 3 Wochen bis zum Gütetermin) Rechtsklarheit über die Rechtmäßigkeit der Kündigung und die Modalitäten der Beendigung geschaffen werden.
Die Möglichkeit zur zu gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung sollte man keinesfalls aus der Hand geben. Für den Arbeitgeber ist es eher unproblematisch sein außergerichtliches Angebot im Kündigungsschutzprozess zu wiederholen. Häufig geschieht dies bereits unmittelbar nach der Klageerhebung im schriftlichen Verfahren. In diesem Fällen kommt es gar nicht zum Gerichtstermin. Der Arbeitgeber muss sich keinen Rechtsbeistand nehmen und hat auch keine weiteren Kosten dadurch. Für den Betroffenen hat dieses Vorgehen wie wir aufgezeigt haben in mehrfacher Hinsicht Vorteile (Sperrzeit, Vollstreckbarkeit).
Wenn Sie nicht an sich denken, tut es kein anderer, am wenigsten Ihr Arbeitgeber.
Vielfach sehen wir, dass die Betroffenen Hemmungen davor haben, gegen den Arbeitgeber vor das Arbeitsgericht zu ziehen. Mag diese Hemmung auch aus Treue herrühren, rechtfertigt es nicht, die Nachteile hinzunehmen, die durch eine unvorsichtige Handhabung des Abwicklungsvertrages entstehen können.
Wir beraten Sie umfassend und suchen die für Sie beste Lösung. Es ist aber besonders wichtig, dass Sie sehr früh das Beratungsangebot spezialisierter Fachanwälte für Arbeitsrecht in Anspruch nehmen, um empfindlichen Nachteile frühzeitig vorzubeugen. Wir verhandeln auf Ihren Wunsch hin mit dem Arbeitgeber um eine nahhaltige und effiziente Lösung zu finden und haben dabei Ihre finanziellen Interessen stets fest im Blick.
Kosten des Rechtsbeistands
Es ist auch eine der Kosten, ob man einen Rechtsanwalt beauftragen möchte. In den Fällen, in denen eine Rechtsschutzversicherung besteht, werden die Kosten von der Versicherung übernommen, wenn ein Rechtsschutzfall vorliegt. Dieser liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in aller Regel vor, wenn der Arbeitgeber gegen seine vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstoßend mit einer Kündigung droht. In diesem Fällen ist sowohl die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts bei der Verhandlung mit dem Arbeitgeber, als auch die Vertretung im Prozess von der Versicherung gedeckt. Sollte keine Rechtsschutzversicherung bestehen, kommt im Falle eines Prozesses ein Antrag auf Prozesskostenhilfe in Betracht. In allen anderen Fällen müssen die Betroffenen zwischen den drohenden finanziellen Nachteilen und den Kosten einer anwaltlichen Vertretung abwägen. Die Beratungskosten liegen in der Regel bei 100,00 Euro. Diese Gebühr sollte in keinem Fall abschrecken, zumal Sie im Falle der Mandatierung auf die weiteren Kosten angerechnet wird.