Urteilsgründe im Burschenschaftsprozess veröffentlicht

Im Prozess um den Streit zweier Burschenschafter der Raczeks zu Bonn über Äußerungen zu rechtsextremen Bestrebungen hat das Landgericht jetzt die Urteilsgründe veröffentlicht. Hier der Originaltext:

Landgericht Bonn, 9 O 213/12

Datum:
11.07.2012
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 213/12
Sachgebiet:
Recht (allgemein – und (Rechts-) Wissenschaften)
Tenor:

Dem Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise von Ordnungshaft aufgegeben, die folgende Behauptung zu unterlassen: “Hier eine Mail von N W von heute morgen mit einer von ihm gehackten Mail von R darunter. Das belegt, daß Herr W den E-Mail-Account von R gehackt hat. Strafgesetzbuch!”

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Verfügungskläger zu zwei Dritteln und dem Verfügungsbeklagten zu einem Drittel auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

12 Tatbestand3Die Parteien sind Mitglieder der B C Burschenschaft der S zu Bonn.4Der Verfügungskläger ist Mitglied der E C und Schriftleiter der Zeitschrift “C C” des Dachverbandes der E C. In einem Artikel der Ausgabe 2/2008 heißt es: “So dürfte bei weiterer Ausgrenzung durch den RCDS die Diskussion über die Gründung einer neuen und bundesweiten hochschulpolitischen Vertretung wertkonservativer Positionen weitere Nahrung erhalten. Das erfolgreiche Projekt des Rings freiheitlicher Studenten unserer österreichischen Verbandsbrüder könnte hier als Vorbild dienen.”5Der Verfügungsbeklagte betreibt die Internetseite “R” als “Blog der Initiative Burschenschafter gegen Neonazis”.6Der Beklagte forderte den Vorstand der Burschenschaft mit einer über deren E-Mail-Verteiler versandten E-Mail vom 12. Mai 2012 auf, den Kläger und 13 andere Mitglieder zu suspendieren. Zur Begründung führte er unter anderem an: “NW ist höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung, die aus Burschenschaftern, NPD und Kameradschaften besteht. … NW strebt mit den Kartellburschenschaften Danubia München und Teutonia Wien die Gründung einer rechtsextremen Studentenpartei nach Vorbild des österreichischen RFS an.”. Er veröffentlichte den Text der E-Mail als offenen Brief am selben Tag in seinem Internetblog. Dabei ersetzte er den Namen der NPD durch den Ausdruck “Fastverbotspartei” und den Namen des Klägers durch die Bezeichnungen “Mr. Spon” bzw. “MrS” und verzichtete auf die namentliche Nennung der anderen Burschenschaften. Aus deren Verwendung in anderen Veröffentlichungen des Blogs war erkennbar, dass es sich um den Schriftleiter der “C C”, also den Kläger, handelte.7Am 15. Mai 2012 veröffentlichte der Beklagte in demselben Blog eine E-Mail des Klägers vom selben Tage an die Mitglieder der Burschenschaft, dem der Kläger eine auf den 8. Mai 2012 datierte E-Mail des Beklagten beigefügt hatte, die dieser als “Offenen Brief” an den Oberbürgermeister der Stadt F und dem E-Mail-Kopf zufolge als Kopie an drei Bundes- bzw. Landtagsabgeordnete, die Fer Lokalredaktion der U B und die E C versandt hatte. Hierzu schrieb der Beklagte: “Hier eine Mail von N W von heute morgen mit einer von ihm gehackten Mail von R darunter. Das belegt, daß Herr W den E-Mail-Account von R gehackt hat. Strafgesetzbuch!”

8Im Februar 2012 waren auf den Namen des Beklagten über 100 Kataloge, zehn Abonnements sowie Essen und Taxis bestellt worden. Wenig später war sein privater Computer von einer Ausspähsoftware angegriffen worden, die E-Mails gehackt und das Online-Banking bedroht hatte. Der Kläger reagierte auf einen Vorhalt durch private E-Mail nicht, obwohl er vorher E-Mails des Beklagten stets beantwortet hatte. Die Ausspähversuche endeten einen Tag, bevor der Kläger einen Auslandsurlaub begann.

9Der Verfügungskläger bestreitet die Vorwürfe. Er sieht in den Äußerungen des Beklagten ehrenrührige Tatsachenbehauptungen.

10Der Verfügungskläger beantragt,

11den Beklagten durch einstweilige Verfügung dazu zu verpflichten, die folgenden Behauptungen zu unterlassen:

12- “NW ist höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung, die aus Burschenschaften, NPD und Kameradschaften besteht.”

13- “NW strebt mit den Kartellburschenschaften Danubia München und Teutonia Wien die Gründung einer rechtsextremen Studentenpartei nach Vorbild des österreichischen RFS an.”

14- “Hier eine Mail von N W von heute morgen mit einer von ihm gehackten Mail von R darunter. Das belegt, daß Herr W den E-Mail-Account von R gehackt hat. Strafgesetzbuch!”;

15und für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft.

16Der Verfügungsbeklagte beantragt,

17die Klage abzuweisen.

18Der Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, die beiden angegriffenen Sätze aus dem Suspendierungsantrag seien von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerungen. Bei dem Vorwurf des E-Mail-Hacking handele es sich um einen auf Indizien gestützten Verdacht. Seine vom Kläger weitergegebene E-Mail vom 8. Mai 2012 sei lediglich ausschließlich an den Oberbürgermeister und einige Politiker in F gegangen.

19Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20Die Klage ist hinsichtlich des Anspruchs auf Unterlassung des Hacking-Vorwurfs begründet, im übrigen unbegründet.

211. Der Verfügungskläger kann entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen, dass der Verfügungsbeklagte seine Behauptung, der Kläger habe sein E-Mail-Konto ausgespäht, wie sie in der Blogveröffentlichung vom 15. Mai 2012 aufgestellt worden ist, unterlässt.

22Es handelt sich um eine Tatsache, die geeignet ist, den Kläger verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die Behauptung ist in der beanstandeten Form unzulässig, weil sie weder nachweislich wahr ist (§ 186 StGB) noch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) mit der dem Beklagten zumutbaren Sorgfalt in einer Situation der Ungewissheit aufgestellt worden ist.

23Der Beklagte hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger tatsächlich sein E-Mail-Konto ausgespäht hat. Die in dem diesen Vorwurf erhebenden Blogbeitrag als einziger Beleg angeführte E-Mail des Klägers belegt zwar, dass dieser irgendwie an die E-Mail des Beklagten an den Fer Oberbürgermeister gelangt war. Dies kann aber auf mehreren Wegen geschehen sein. Nach dem E-Mail-Kopf hatte der Beklagte es als “Offenen Brief” in Kopie nicht nur, wie in der eidesstattlichen Versicherung des Beklagten geschildert, an einige Fer Politiker, sondern auch an die U B und die E C, der der Kläger angehört, verschickt. Dass der Kläger, sei es über den Ortsverband seiner Partei, sei es, etwa nach entsprechenden Rückfragen aus F, über den Bundesverband der Burschenschaften eine Kopie erhalten hat, ist ohne weiteres denkbar. Von den weiteren Indizien, auf die der Beklagte seine Behauptung im vorliegenden Verfahren stützt, bieten die Bestellungen und die Ausspähsoftware schon keinen konkreten Bezug zur Person gerade des Klägers. Die verbleibenden Umstände, insbesondere das Schweigen des Klägers auf einen entsprechenden Vorhalt durch private E-Mail und das Ende der Ausspähversuche kurz vor einem Urlaub des Klägers, sind insbesondere in Ermangelung näheren Vorbringens zum Inhalt des Vorhalts und zum Zeitpunkt des Urlaubsantritts auch unter Berücksichtigung des reduzierten Beweismaßes im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht aussagekräftig genug, um den Schluss auf die Richtigkeit der Behauptung zu rechtfertigen.

24Diese war auch nicht als Wahrnehmung berechtigter Interessen in der vom Beklagten öffentlich geführten Auseinandersetzung über die politische Ausrichtung der Burschenschaft zulässig. Auch wenn man insofern von einer meinungsbezogenen Tatsachenbehauptung ausgeht, die grundsätzlich in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG fällt und bei der die Anforderungen an die Sorgfalt des Äußernden nicht überspannt werden dürfen, und außerdem berücksichtigt, dass dem Kläger nach dem unbestrittenen Vorbringen des Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, bleibt festzuhalten, dass die Dürftigkeit der einen strafrechtlich relevanten Vorwurf stützenden Indizien so offenkundig war, dass auch der Beklagte sie hätte erkennen müssen. Dies gilt insbesondere für den in der streitbefangenen Äußerung allein angeführten Umstand, dass der Kläger an den “Offenen Brief” des Beklagten an den Fer Oberbürgermeister gelangt war. Auch die mit der Veröffentlichung verbundenen höhnischen Hinweise auf strafrechtliche Konsequenzen (“Herr W: Knast! Danke, dass auch Sie in die gestellte Falle getappt sind. Die Schonzeit ist vorbei.”) belegen einen Mangel des Mindestmaßes an Sorgfalt, das auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit und auch von einer Privatperson bei ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen zu verlangen ist.

252. Wegen den in der Begründung des Suspendierungsantrags enthaltenen Äußerungen, er sei einer der Köpfe einer rechtsextremen Bewegung und strebe die Gründung einer rechtsextremen Studentenpartei an, steht dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zu.

26Es handelt sich um von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerungen, die die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreiten. Als Meinungsäußerungen sind insbesondere auch Äußerungen zu behandeln, die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, weil ihr Tatsachengehalt so substanzarm ist, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund gerät (BVerfGE 61, 1, juris Rn. 16, ständige Rechtsprechung). Dies trifft auf beide Äußerungen zu, denn diese sind durch die Zuordnung des Klägers zum Rechtsextremismus geprägt, während ihr Tatsachengehalt erkennbar substanzarm ist:

27a) Die Bezeichnung des Klägers als einer von mehreren Köpfen einer aus Burschenschaftern, NPD und Kameradschaften bestehenden rechtsextremen Bewegung ist ein Pauschalurteil, das keinerlei greifbare Aussage dazu enthält, worin die Wichtigkeit des Klägers, die mit seiner Einstufung als “Kopf” angedeutet wird, konkret besteht und wie die drei genannten Gruppen zusammenwirken (“Bewegung”). Die vom Beklagten in einer anderen Veröffentlichung verwendete Bezeichnung als “Geheimorganisation”, die in Ermangelung näherer Einzelheiten ebenfalls nur als pauschale Bewertung verstanden werden kann, kommt in der mit der Klage beanstandeten Äußerung und auch im Zusammenhang der Begründung des Suspendierungsantrags nicht zum Ausdruck. An der Substanzarmut der angegriffenen Äußerung ändert sich auch dadurch nichts, dass der Beklagte in seiner Klageerwiderung versucht, sie durch Hinweis auf eine Vielzahl von Veröffentlichungen zur politischen Ausrichtung der drei genannten Gruppen und zu zwischen diesen bestehenden Verbindungen zu rechtfertigen.

28b) Auch hinsichtlich des dem Kläger zugeschriebenen Strebens nach Gründung einer rechtsextremen Studentenpartei steht das wertende Element so sehr im Vordergrund, dass das dem Kläger zugeschriebene Streben, von dem unklar bleibt, ob es sich um ein unmittelbares Ziel oder eher – wofür der vom Beklagten herangezogene Artikel spricht – um eine langfristige hochschulpolitische Alternative zum Engagement im RCDS handelt, als innere Tatsache in den Hintergrund tritt. Der Versuch des Klägers, den Vorwurf im Streben nach Gründung einer Studentenpartei als Verstoß gegen eine burschenschaftliche Neutralitätspflicht in den Mittelpunkt zu rücken, überzeugt nicht. In dem klägerseits vorgelegten Auszug des Handbuchs der Deutschen Burschenschaft heißt es, dass Burschenschaftler hochschulpolitische Ziele “in allen Parteien und politischen Hochschulgruppen vertreten” können, “die sich zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen”. Dass dies nicht für Neugründungen gelten soll, erschließt sich nicht. Die dominierende Kernaussage der beanstandeten Äußerung ist daher nicht das Streben nach Gründung einer Studentenpartei, sondern deren politische Zuordnung zum Rechtsextremismus. Dabei handelt es sich um ein Werturteil. Dieses ist im gegebenen Zusammenhang mit der wechselseitig geführten Auseinandersetzung der Parteien von Art. 5 GG gedeckt. Von einer schmähenden Herabsetzung und Diffamierung des Verfügungsklägers ohne jeden sachlichen Bezug kann angesichts der geführten Debatte keine Rede sein.

29Die Androhung der Ordnungsmittel ergeht auf Grund von § 890 Abs. 2 ZPO. Der Antrag des Klägers auf “Festsetzung” ist in diesem eingeschränkten Sinne auszulegen.

30Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

31Streitwert: 25.000 €

Mitgeteilt von:

Rechtsanwalt Nils von Bergner
-Fachanwalt für Arbeitsrecht-
-Fachanwalt für Verkehrsrecht-

Absolvent des Fachlehrgangs “zertifizierter Testamentsvollstrecker” (AGT)

Rechtsanwälte von Bergner und Özkan

Fachanwälte für Arbeitsrecht, Familienrecht und Verkehrsrecht

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