Corona und Arbeitsrecht – Teil 1: Kündigungen

Seit Beginn der Coronakrise nimmt die Zahl der Kündigungen rapide zu. Auch wenn die meisten Unternehmen zunächst versuchen, die Nachteile durch Kurzarbeit abzufedern, werden gerade in kleineren Betrieben vermehrt Kündigungen ausgesprochen. In unserem ersten Teil der Reihe Corona und Arbeitsrecht wollen wir uns daher mit den wesentlichen Fragen beschäftigen, die “Corona-bedingte” Kündigungen mit sich bringen.

Vorweg: welche Kündigungsarten gibt es eigentlich?

Das Kündigungsschutzgesetz unterscheidet zwischen drei Kündigungsarten, bezogen auf den Kündigungsgrund. Die betriebsbedingte Kündigung, die personenbedingte Kündigung und die verhaltensbedingte Kündigung. Bei der betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass der betroffene Arbeitsplatz aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung weggefallen ist. Der Arbeitgeber muss zudem eine Sozialauswahl durchführen und die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung prüfen. Personenbedingte Kündigungen betreffen persönliche Umstände des betroffenen Arbeitnehmers, hier geht es in erster Linie um Krankheit. Die verhaltensbedingte Kündigung betrifft Fälle, in denen der Arbeitnehmer gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstößt.

Betriebsbedingte Kündigung wegen Corona

Wenn Arbeitgeber tatsächlich wegen Corona kündigen, dann wird dies in aller Regel aus betrieblichen Gründen erfolgen. Die Krise führt zu schweren wirtschaftlichen Verwerfungen, einige Branchen trifft es besonders hart, z.B. die Gastronomie und den Einzelhandel. Wo Aufträge und Umsätze wegbrechen, müssen Kosten eingespart werden, die oft hohen Personalkosten gehören zu den flexibleren Kostenpositionen. Wie oben dargestellt, unterliegen betriebsbedingte Kündigungen jedoch strengen gesetzlichen Anforderungen. Wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass der Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist. Es reicht daher in der Regel nicht aus, sich einfach auf Umsatzeinbußen oder Auftragsrückgänge zu berufen. Solche äußerlichen Ursachen sind vom Arbeitgeber vollständig zu beweisen, was in der Praxis selten gelingt. Kann der Arbeitgeber dagegen plausibel darlegen, dass der Arbeitsplatz weggefallen ist, dann muss er auch erklären, wie die bisher angefallene Arbeit auf andere Arbeitsplätze umverteilt wird. Dabei darf es nicht zur überobligatorischen Inanspruchnahme von Kollegen kommen. Zudem ist zu prüfen, ob der betroffene Arbeitnehmer im Betrieb anderweitig beschäftigt werden kann. Schließlich muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen und denjenigen Arbeitnehmer auswählen, der unter Berücksichtigung sozialer Interessen (Alter, Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung, Unterhaltspflichten) am wenigsten schutzwürdig ist. Der Schutz des Arbeitnehmers geht hier also sehr weit, Arbeitgeber scheitern vor dem Arbeitsgericht häufig mit ihren Kündigungen, sofern sie diese nicht gründlich vorbereitet haben.

Anders sieht es jedoch im Fall von Betriebsstilllegungen aus. In der momentanen Situation ist eine Vielzahl von Insolvenzen und damit verbundenen Betriebsschließungen zu erwarten. Wird ein Unternehmen aufgelöst, dann führt die praktisch immer und zwangsläufig zum Wegfall sämtlicher Arbeitsplätze. Allerdings ist der Arbeitnehmer auch hier nicht völlig schutzlos. Behauptet der Arbeitgeber die Betriebsschließung und erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage, dass muss der Arbeitgeber im gerichtlichen Verfahren darlegen und beweisen, dass er die Stilllegung auch wirklich vollzieht. Dazu gehören alle Handlungen, die mit einer Betriebsaufgabe üblicherweise zusammenhängen (z.B. die Kündigung von Miet- und Leasingverträgen, die Veräußerung von Betriebsmittel und Warenbeständen, die tatsächliche Räumung der Betriebsstätte usw.). In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Betriebsschließungen zwar behauptet, tatsächlich aber nicht vollzogen werden. Oft kommt es nur zu Umstrukturierungen oder Veräußerungen von Betriebsteilen, die als Betriebsschließungen “verkauft” werden. Zudem gelten bei sog. “Massenentlassungen” besondere Anforderungen (dazu unten mehr). Auch in diesen Fällen kann es sich also lohnen, gerichtlich gegen eine Kündigung vorzugehen.

Personenbedingte Kündigung wegen Corona

Personenbedingte Kündigungen betreffen vor allem Langzeiterkrankungen und häufige Kurzzeiterkrankungen. Nach den derzeitigen medizinischen Erkenntnissen verläuft eine COVID-19-Erkrankung über einen Zeitraum von mehreren Wochen. Bei schweren Verläufen kann sich die Genesung auch über mehrere Monate hinziehen. Bei Langzeiterkrankungen vergehen zumeist Zeiträume von 12 bis 18 Monaten, bevor Kündigungen in Betracht kommen. Maßgeblich ist dabei stets die Gesundheitsprognose im Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung. Ist zu erwarten, dass der Arbeitnehmer in absehbarer Zeit wieder arbeitsfähig sein wird, dann ist die Kündigung unwirksam. Fällt die Prognose dagegen negativ aus, dann geht die Kündigung durch. Bei häufigen Kurzzeiterkrankungen werden krankheitsbedingte Fehlzeiten über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren addiert. Je nach Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte können Ausfälle von 20-30% der Arbeitszeit Kündigungen wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen dann rechtfertigen.

Bezogen auf eine COVID-19-Erkrankung bedeutet dies, dass personenbedingte Kündigungen in den aller meisten Fällen ausscheiden dürften. Um in den Bereich einer relevanten Langzeiterkrankung zu gelangen, müsste schon ein äußerst schwerer Verlauf mit Komplikationen und Folgeschäden vorliegen (z.B. irreparable Lungenschädigungen). In dieser Konstellation wäre auch eine Kündigung wegen häufigen Kurzzeiterkrankungen denkbar, wenn der betroffene Arbeitnehmer als Nachwirkung von COVID-19 aufgrund seines geschwächten Immunsystems immer wieder nacherkrankt und ausfällt. Insgesamt dürften solche Fälle aber die Ausnahme bleiben.

Verhaltensbedingte Kündigung wegen Corona

Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen hat. Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber in aller Regel auch eine Abmahnung ausgesprochen haben, erstmalige Verstöße können nur in Ausnahmefällen eine sofortige Kündigung rechtfertigen. Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Corona käme beispielsweise dann in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer von einer eigenen Infektion oder Erkrankung weiß, und den Betrieb trotzdem weiter aufsucht, ohne den Arbeitgeber zu informieren. Die damit verbundene Gefährdung der Mitarbeiter und ggf. Kunden wäre als schwerer Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten einzustufen. Denkbar wären auch Fälle, in denen sich ein Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitgebers widersetzt, den Anordnungen zu Arbeitssicherheit und Hygiene (z.B. Maskenpflicht, Abstandsregeln) Folge zu leisten.

Begründet der Arbeitgeber eine Kündigung mit entsprechendem Fehlverhalten, dann ist dies im Einzelfall genau zu prüfen. Da Sanktionen des Arbeitgebers immer verhältnismäßig sein müssen, kommen vor einer Kündigung auch andere Maßnahmen in Betracht, wie Ermahnungen, Abmahnungen, Freistellungen oder Versetzungen. Die Wahl des Mittels muss im Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen.

Sind auch fristlose Kündigungen wegen Corona denkbar?

Außerordentliche, also fristlose Kündigungen, werden in aller Regel als verhaltensbedingte Kündigungen ausgesprochen. Voraussetzung dafür ist, dass es zu einem völligen Vertrauensverlust des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer gekommen ist. Dem Arbeitgeber darf es nicht zuzumuten sein, auch nur noch einen Tag mit dem Arbeitnehmer zusammen zu arbeiten. Bezogen auf Corona sind hier eigentlich nur Fälle wie der zuvor beschriebene denkbar, dass ein infizierter oder erkrankter Arbeitnehmer weiter in den Betrieb geht und die Ansteckung anderer bewusst in Kauf nimmt. Fristlose Kündigungen stellen das schärfste Schwert im Arbeitsrecht dar, die rechtlichen Anforderungen sind daher extrem hoch.

Kündigung im Kleinbetrieb wegen Corona

Gerade in Kleinbetrieben werden zur Zeit viele Kündigungen ausgesprochen. Dies hängt zunächst natürlich mit der prekären wirtschaftlichen Situation zusammen, der sich viele Kleinunternehmer derzeit ausgesetzt sehen. Zum anderen unterliegen Kündigungen dort jedoch auch nicht den strengen gesetzlichen Anforderungen. Der Arbeitgeber muss Kündigungen daher grundsätzlich nicht begründen. Kleinbetriebe sind solche, die regelmäßig bis zu 10 Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigen.

Allerdings sind auch Mitarbeiter in Kleinbetrieben nicht völlig schutzlos. Kündigungen können sich als unwirksam erweisen, wenn sie sittenwidrig, missbräuchlich oder treuwidrig ausgesprochen werden. Auch im Kleinbetrieb kann es sich daher lohnen, eine Kündigung zu hinterfragen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch in Kleinbetrieben das Thema Corona als Vorwand für Kündigungen genutzt wird.

Massenentlassungen

Kommt es Corona-bedingt zu betriebsbedingten Kündigungen im großen Stil, dann hat der Arbeitgeber die Vorschriften zur Massenentlassung zu beachten. Dies wird vor allem Fälle der Insolvenz und damit einhergehender Betriebsstilllegungen betreffen. Wesentlich sind dabei zwei Verfahrensschritte, die vorherige Beteiligung eines Betriebsrates (sofern vorhanden) und die Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit. Diese muss bereits bei der Bundesagentur vorliegen, wenn den betroffenen Arbeitnehmern die Kündigungen zugehen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass das Beteiligungs- und Anzeigeverfahren bei Massenentlassungen äußerst fehleranfällig ist. Die Arbeitgeber machen hier immer wieder formelle Fehler, die zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung führen können. Es kann sich daher durchaus lohnen, eine Kündigung schon deshalb anzugreifen, weil der Arbeitgeber mehrere Kündigungen gleichzeitig ausgesprochen und dabei die Vorgaben der Massenentlassung möglicherweise nicht befolgt hat.

Sie haben Fragen rund um das Thema Corona und Kündigung? Kontaktieren Sie uns.